Die wirkmächtigste politische Fabel der Literaturgeschichte – gelesen von Christoph Maria Herbst
Die Tiere auf dem Hof des Säufers Mr. Jones leiden unter seinem gewalttätigen Regiment. Aber genug ist genug! Die intelligenten Schweine arbeiten ein Programm für die Befreiung vom menschlichen Unterdrücker aus. Die Rebellion ist erfolgreich. Doch selbst die, die sich aus der Unterdrückung befreien, können zu Unterdrückern werden – und bald schon leiden die Tiere unter der Diktatur der Schweine. Orwells Klassiker in zeitgemäßer Neuübersetzung mit einem Vorwort geschrieben und gelesen von Ilija Trojanow.
Es gibt Bücher, die man schon lange lesen möchte, weil ihr Name und ihre Bedeutung in der Weltliteratur so präsent sind, dass man fast das Gefühl hat, die Geschichte bereits zu kennen, ohne je eine Seite aufgeschlagen zu haben. „Farm der Tiere“ von George Orwell ist eines dieser Bücher. Genau deshalb waren meine Erwartungen eher verhalten – ich rechnete mit einem Werk, das durch seine Popularität vielleicht etwas überbewertet ist, eine eher banale Fabel mit leicht verdaulicher Gesellschaftskritik. Doch ich wurde positiv überrascht.
Was mich besonders beeindruckt hat, ist die Art und Weise, wie Orwell mit einfachster Sprache tiefgreifende politische Mechanismen offenlegt. Das Buch lässt sich leicht und zügig lesen, was sicherlich zu seiner weltweiten Verbreitung beigetragen hat. Doch unter dieser scheinbaren Einfachheit verbirgt sich eine Fülle an politischen Allegorien, die nicht nur auf das kommunistische Regime der damaligen Sowjetunion zutreffen, sondern auch erschreckend aktuell wirken – insbesondere im Hinblick auf viele populistische Regierungen unserer Zeit.
Orwell zeigt eindrücklich, wie politische Machtstrukturen funktionieren: Wie Regierungen tragische Ereignisse in heroische Narrative umwandeln, wie simple Slogans ganze Gesetzeswerke ersetzen, wie durch Sündenböcke von den eigentlichen Problemen abgelenkt wird, und wie mit zweierlei Maß gemessen wird, je nachdem, ob man sich in der Opposition oder an der Macht befindet. Diese Techniken sind keine bloßen Relikte des Kalten Krieges – sie sind heute genauso lebendig, sei es in Mexiko oder in anderen lateinamerikanischen Ländern.
Besonders erschreckend ist die Darstellung der Manipulation durch Sprache: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als andere“ ist eine jener Zeilen, die sich unauslöschlich ins Gedächtnis brennen. In Zeiten, in denen Meinungsfreiheit oft unter Beschuss steht und viele Diskussionen von übertriebener Empfindlichkeit geprägt sind, hat dieser Satz eine beunruhigende Aktualität. Es geht um die schleichende Aushöhlung von Werten, die Gleichheit nur noch rhetorisch behauptet, während in Wahrheit Ungleichheit institutionalisiert wird.
Was mir weniger gut gefallen hat, ist der Umstand, dass sich sowohl das Buch als auch die meisten seiner Analysen fast ausschließlich auf die Kritik am sowjetischen Kommunismus konzentrieren. Das war zur Entstehungszeit des Buches verständlich, lässt aber einen wichtigen Aspekt unterbelichtet: Viele der dargestellten Manipulationsmechanismen finden sich in heutigen populistischen Regierungen wieder – unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung. Der Populismus, wie wir ihn heute in vielen Ländern erleben, bedient sich exakt derselben Mittel – er romantisiert Armut, spaltet die Gesellschaft in „gut“ und „böse“ und instrumentalisiert nationale Symbole für politische Zwecke.
Fazit:
„Farm der Tiere“ ist ein kleines Buch mit großer Wirkung. Es ist eine kluge, scharfsinnige Parabel über Macht, Manipulation und die Zerbrechlichkeit von Idealen. Seine Einfachheit ist seine Stärke – und seine Warnung ist heute genauso dringend wie damals. Ein Werk, das jeder mindestens einmal gelesen haben sollte, gerade in unserer gegenwärtigen politischen Landschaft.
4 von 5 Sternen!
„Farm der Tiere“ ist eine kluge und eindrucksvolle Allegorie, die Macht, Korruption und die Fallen revolutionärer Ideale thematisiert. Orwell vermittelt seine Botschaft über Tiere auf einer Farm und zeigt, wie Gleichheit schnell von Ungleichheit verdrängt werden kann. Die einfache Erzählweise macht das Buch zugänglich und regt zum Nachdenken an.
Trotz der starken Botschaft bleiben einige Charaktere und der Handlungsverlauf etwas flach und vorhersehbar. Insgesamt ist es jedoch ein fesselndes und lehrreiches Werk, das zum Nachdenken anregt.
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