DAS SCHILLERNDE PORTRÄT EINER MÄCHTIGEN FRAU IN MÖRDERISCHEN ZEITEN
Zora del Buono hat von ihrer Großmutter nicht nur den Vornamen geerbt, sondern auch ein Familienverhängnis, denn die alte Zora war in einen Raubmord verwickelt. Diese Geschichte und ihre Folgen bis heute erzählt dieser große Familienroman.
Die Slowenin Zora lernt ihren späteren Ehemann, den Radiologieprofessor Pietro Del Buono, am Ende des Ersten Weltkriegs kennen. Sie folgt ihm nach Bari in Süditalien, wo sie, beide überzeugte Kommunisten, ein großbürgerliches und doch politisch engagiertes Leben im Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis führen. Zora ist herrisch, eindrucksvoll, temperamentvoll und begabt, eine Bewunderin Josip Broz Titos, dem sie Waffen zu liefern versucht und dem ihr Mann das Leben rettet. Sie will mehr sein, als sie kann, und drückt doch allen in ihrer Umgebung ihren Stempel auf. Ihr Leben und das Leben ihrer Familie, ihrer Kinder und Enkelkinder, vollziehen sich in einer Zeit der Kriege und der Gewalt, erbitterter territorialer und ideologischer Kämpfe, die unsere Welt bis heute prägen. In einem grandiosen Schlussmonolog erzählt die alte Zora Del Buono ihre Geschichte zu Ende, eine Geschichte der Liebe, der Kämpfe, des Hasses und des Verrats. «Die Marschallin» ist ein farbiger, lebenspraller Roman über eine unvergessliche Frau und ein tragisches Familienschicksal.
Ein farbiger Familienroman über eine starke Frau, politische Kämpfe und ein großes Verhängnis
Eine Zeit der Kriege und der Gewalt, der Liebe und des Verrats
Die Enkelin der Protagonistin - beide namens Zora - beschreibt im 1. Teil chronologisch in einzelnen Geschichten mit boigrafischen Anteilen der Großmutter die Zeit von 1919 bis 1948 und dann wieder ab 1980 deren letzten Jahre im Altersheim. Der 2. wesentlich kürzere Teil ist ein Monolog der Hauptfigur selbst und schildert Biografisches der wichtigsten Nebenfiguren; Ehemann, ihre 4 Brüder mit Ehefrauen sowie ihre 3 Söhne und Schwiegertöchter.
Es ist ein Familienroman, eingebettet in die historisch politische Zeit Italiens und Sloweniens, so dass ich über die Ereignisse um Mussolini und Tito mehr erfahren konnte und angeregt war, das eine oder andere darüber nachzulesen.
Die Charakteresierng der Protagonistin finde ich sehr gelungen; eine eigenwillige, selbstbewusste , intelligente, despotische Frau, die für mich kühl und lieblos rüber kommt. Ich konnte mich sowohl mit ihren Eigenschaften als auch Handlungen nicht anfreunden und schon gar nicht mit ihr identifizieren.
Trotz des großbürgerlichen Hintergrundes sehen sich Zora und ihr Mann als überzeugte Kommunisten. Sie sind gegen Mussolini und den Faschismus. Vor allem Zora verehrt Tito und möchte ihn und die Partisanen unterstützen. Doch ihr Engagement im Widerstand und konkrete Handlungen erschließen sich mir nicht bzw. kommen zu kurz. Vielmehr ist es der Alltag, der beschrieben wird und weniger die politische Auseinandersetzung. Am Anfang des Buches ist es mir schwer gefallen, in die Geschichte reinzukommen, fand es teilweise zähflüssig, langweilig und ohne Tiefgang. Ich musste häufig nachschlagen, um mich unter den handelnden Personen zurechtzufinden.
In dem sehr viel kürzeren 2. Teil des Buches denkt Zora über ihr Leben nach und erzählt im Zeitraffer (1948 bis 1980) aus dem Leben ihrer Familienangehörigen. Der Monolog der Protagonistin hat mir gut gefallen, weil hier noch einiges zur Familiengeschichte erklärt wird, und mir vieles verständlicher wurde, so dass ich mir diesen 2. Teil umfangreicher gewünscht hätte. Für mich eher eine anstrengende als unterhaltsame Lektüre, jedoch für geschichts- und politikinteressierte Leser zu empfehlen.
Packender und lehrreicher Zeit- und Familienroman
Bewertung aus Baden-Baden am 25.08.2020
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
„Vergiss nicht, du trägst ihren Namen, hatte Tante Mila gewarnt. Man solle Geheimnisse dort belassen, wo sie hingehörten: im Reich des Schweigens.“
Zum Glück des Lesers hat die Autorin Zora del Buono den Ratschlag ihrer Tante nicht beherzigt, sondern hat aus dem Leben ihrer Großmutter einen packenden und lehrreichen Zeit- und Familienroman gemacht.
Geboren ist diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Zora Ostan, Tochter eines Fuhrunternehmers, in Bovec, einem kleinen Dorf im Nordwesten Sloweniens. Damals gehörte das Gebiet noch zum Habsburgerreich.
Im Alter von acht Jahren ist die kleine Zora plötzlich die einzige Frau im Haus, denn die Mutter hat eines Tages die Familie verlassen. Nach fünf Monaten kehrt sie wieder zu Ehemann und den drei Kindern zurück, „ mit dem Kind eines Fremden im Bauch.“
Während des Ersten Weltkriegs müssen alle Dorfbewohner ihre Häuser verlassen. Die Familie Ostan trifft das nicht so schlimm, können sie doch in das neu erworbene Haus in Ljubljana ziehen. Zwei Jahre bleiben alle weg; als sie zurückkommen, ist beinahe alles zerstört.
Kurz danach lernt Zora ihren zukünftigen Mann kennen, Pietro Del Buono, ein rothaariger Sizilianer, der mit seinen 23 Jahren der jüngste Arzt Italiens ist. Pietro führt sein Studium der Radiologie in Berlin fort, danach heiraten die beiden und ziehen nach Bari. Dort gründet Pietro, mittlerweile Professor für Radiologie, eine Klinik. Zora lässt sich nach eigenen Entwürfen ein prachtvolles Haus bauen. Das Paar bekommt drei Söhne, aber die Mutterrolle liegt Zora nicht sonderlich. Viel lieber führt sie politische Diskussionen mit den Gästen, die sie empfangen. Trotz des großbürgerlichen Hintergrunds sind Zora und ihr Mann überzeugte Kommunisten. Sie verehren Antonio Gramsci, den „ italienischen Karl Marx“ und engagieren sich im Widerstand gegen Mussolini und dem Faschismus im Land.
Aber der große Held für Zora ist Josip Broz, genannt Tito. Sie versucht mit Waffenlieferungen ihn und seine Partisanen im Kampf zu unterstützen.
Zora ist eine starke und eigenwillige, nicht immer sympathische Frau. Sie ist unberechenbar und herrschsüchtig, aber auch großzügig. Ihr Schwiegervater mochte Zora; sie erinnerte ihn an seine verstorbene Frau. „ Zora jammerte nie. Sie packte an. Sie schien eine Spur heller zu leuchten als die Menschen um sie herum, es war ein ständiges inneres Glühen, ..., als ob sie darauf brennen würde, etwas ganz Großes zu tun.“
Ihre Söhne und ihre Schwiegertöchter hatten unter ihrem strengen Regiment zu leiden. „Wenn Zora etwas sagte, galt das. Zora war das Gesetz.“
Zora sah auch keine Diskrepanz zwischen dem großbürgerlichen Leben, das sie führte, mit wechselndem Dienstpersonal und rauschenden Festen und ihrer politischen Überzeugung. „ Kommunismus bedeutete für sie: Aristokratie für alle.“
Neben Zora, dieser schillernden Hauptfigur, beschreibt die Autorin aber noch zahlreiche Personen aus dem Umfeld, die nicht weniger interessant sind. Zum einen die slowenischen Eltern und die vier Brüder. Einer davon ist homosexuell und muss ständig fürchten, dass sein Geheimnis an die Öffentlichkeit dringt. Dann der Jüngste, Nino, entwickelt sich vom Hallodri zu einem Mann im Dienste Mussolinis.
Der Schwiegervater Giuseppe del Buono war zeitweilig Bürgermeister auf der Verbannungsinsel Ustica, wo Gramsci 44 Tage inhaftiert war.
Noch viele Figuren macht die Autorin lebendig. Um den Überblick zu bewahren, ist das Personenverzeichnis vorne im Buch sehr hilfreich.
Zora del Buono erzählt ihre Geschichte zwar weitestgehend chronologisch, aber episodenhaft und aus unterschiedlichen Perspektiven. Zwischen einem Prolog und einem Epilog finden sich 17 Kapitel, die die Jahre 1919 bis 1949 umspannen.
Das 18. und längste Kapitel gehört der Ich- Erzählerin Zora und führt ins Jahr 1980. Sie ist mittlerweile zurückgekehrt nach Slowenien und lebt schwer zuckerkrank in einem Seniorenheim. Ihr Mann Pietro ist in Bari geblieben, hochgradig dement. Zora blickt verbittert und desillusioniert auf ihr Leben zurück. „ Man behauptet, Weisheit trete ein und erweitere dein Denken. Was eintritt, ist aber nur die Gewissheit, dass die Fehler, die du begangen hast, sich nicht wiedergutmachen lassen. In jüngeren Jahren kannst du dir einreden, du könntest irgendwann, später, im Laufe der Zeit, eigentlich jederzeit, die Dinge wieder geraderücken. Im Alter weißt du: Das war eine Illusion. Gar nichts lässt sich geraderücken.“
Die Autorin schreibt meist nüchtern und klar, doch die vielen Dialoge machen die Erzählung lebendig. Das Buch ist trotz der Materialfülle gut lesbar. Man erfährt so vieles, wovon man noch nichts gehört hat.
„ Die Marschallin“ ist nicht nur das spannende Portrait einer faszinierenden Frau, nicht nur eine opulente Familiengeschichte, sondern auch die Geschichte einer vergangenen Epoche. Für Leser mit einem Interesse an historischen und politischen Themen eine unbedingte Empfehlung.
Noch ein Tipp: Auf der Seite des C.H. Beck Verlags finden sich noch ein paar Photos aus dem Privatbesitz der Autorin, die ihre Großmutter , deren Ehemann, das Haus in Bari und den Sohn Manfredi mit seiner kleinen Tochter Zora zeigen.
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Autobiografischer Roman über eine Familie in turbulenten politischen Zeiten. Zora ist selbstbewusst, willensstark, fanatisch, bestimmend. Sie mischt sich nicht nur in das Leben ihrer Familienmitglieder, die nach ihren Regeln und Vorstellungen zu leben haben, sondern auch in die Politik. Besessen von Kommunismus und Marschall Tito ist sie sogar bereit, aus ihrem bequemen Leben auf Bari in den Krieg aufzubrechen. Im zweiten Teil des Buches kommt ihre menschliche Seite zum Vorschein. Nun sitzt sie vereinsamt in einem Altersheim, denkt über ihr Leben nach und enthüllt lang gehütete Familiengeheimnisse. Tolle Lektüre für geschichts- und politikinteressierte Leser, verpackt in eine spannende Erzählung.
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