Charlie ist ein sympathischer Lebenskünstler, Miranda eine clevere Studentin. Sie verlieben sich, gerade als Charlie seinen >Adam< geliefert bekommt, einen der ersten lebensechten Androiden. In ihrer Liebesgeschichte gibt es also von Anfang an einen Dritten: Adam. Kann eine Maschine denken, leiden, lieben? Adams Gefühle und seine moralischen Prinzipien bringen Charlie und Miranda in ungeahnte - und verhängnisvolle - Situationen.
Ian McEwan ist in der Literaturszene kein Unbekannter. Mit "Abbitte", "Kindeswohl" und "Am Strand" lieferte er bereits tiefe Einblicke in die menschliche Psyche, mit "Honig" führte er uns hinein in das Herz des Kalten Krieges und mit "Saturday" offenbarte er uns die Zerbrechlichkeit des Glücks. "Maschinen wie ich" widmet sich nun dem nächsten Thema mit gesellschaftlicher Relevanz - künstlicher Intelligenz und dessen Folgen für die Menschheit.
Es hat beinahe schon einen dystopischen Charakter -
Charlie, ein dreißigjähriger Nerd, der sein Geld damit verdient, online an der Börse zu spekulieren, investiert sein ganzes Erbe in Adam, einen der ersten lebensechten Androiden. Ganze 25 Exemplare mit den etwas unspektakulären Namen Adam und Eve kamen auf den Markt - die Eves gingen innerhalb weniger Minuten weg. Charlies Adam ist braungebrannt, durchtrainiert und makellos - und erregt so auch die Aufmerksamkeit von Adams Freundin Miranda.
Das London der 80er Jahre dient als Kulisse für "Maschinen wie ich" - allerdings ein London, in dem McEwan die politischen Ereignisse geschickt verdreht. Großbritannien verliert den Krieg um die Falklandinseln, Margaret Thatchers öffentliche Zustimmung schwindet rapide und sie muss zurücktreten und eine Trennung der Beatles ist nicht in Sicht. McEwan spielt erneut mit der britischen Geschichte - und es macht ihm sichtlich Spaß. Wie immer auf höchstem literarischen Niveau entführt er uns in eine Art gesellschaftliche Parallelwelt - ob wir in dieser leben wollen oder nicht, ist eine der vielen Fragen, die wir uns selbst beantworten müssen. Denn abermals, präsentiert McEwan eine Erzählung, die weit über die letzte Buchseite hinaus seine Wirkung entfaltet und zum Nachdenken und Philosophieren anregt.
Der Autor stellt die ganz großen Fragen unserer Zeit: Wer sind wir? Was ist Bewusstsein? Und was passiert mit unseren Erinnerungen, Erlebnissen und Erfahrungen nach dem Tod? Vor allem der Ursprung der Seele scheint McEwan nicht loszulassen, wieder und wieder rückt er die Essenz unseres Selbst in den Fokus seiner philosophischen Abhandlungen und entscheidet dabei ausdrücklich nicht zwischen einen menschlichen Organismus und einem Roboter.
"Adam hatte Gefühle, besaß eine Persönlichkeit. Wie die entstand, ob durch organische Neuronen, Mikroprozessoren oder DNA-Netze, ist dabei völlig egal."
Mit dem Androiden Adam präsentiert der Schriftsteller eine ganz neue moralische Instanz. Handelnd nur nach den Prinzipien der Ehrlichkeit und des Anstands führt Adam uns die menschlichen Verfehlungen in einen erheblichen Maße vor Augen. All die kleinen, doch so harmlosen Unwahrheiten, zu denen wir uns aus Gefühlen der Zuneigung oder gar der Rache hinreißen lassen, sind dem Androiden völlig fremd. Adams Verstand arbeitet ausnahmslos ohne Emotion, sein Handeln ist vollkommen affektfrei - ohne Kompromisse, ohne Rücksicht auf die Schäden, die er dabei möglicherweise anrichtet.
"Maschinenlernen aber hat seine Grenzen. Ein künstlich geschaffener Verstand braucht notwendig Regeln, nach denen er funktioniert. Wie wäre es mit dem Verbot zu lügen?"
Das Verbot zu lügen, die Prämisse der Aufrichtigkeit - Regeln, die für Adam nur eines bedeuten: Leid. Er findet sich schwer zurecht in einer Welt, in der ab und an ein Auge zu- und Dinge gerne in ein anderes Licht gerückt werden. Es hat beinahe den Anschein, als wäre die Welt, unsere Welt, nicht perfekt genug für einen moralischen "Übermenschen" wie Adam - eine Last, die viele der Adams und Eves nicht tragen können und sich deswegen selbst zerstören.
"Es geht um Maschinen wie ich und Menschen wir ihr, unsere gemeinsame Zukunft [...]wir werden euch übertreffen und überdauern..auch wenn wir euch lieben. Glaub mir, in diesen Zeilen klingt kein Triumpf an..Nur Bedauern."
Und so schafft es der Autor wieder, die Bruchstellen unserer Welt sichtbar zu machen und den Blickwinkel zu verändern und mit Adams Melancholie einen Schleier der Bedrückung über den technischen Fortschritt zu legen, der nur an einigen wenigen Stelle gelichtet wird.
"Maschinen wie ich" ist ein typischer McEwan, anspruchsvoll, ausdrucksstark und bildhaft
spannend und abgründig-auf teilweise galgenhumoristische art.... vor allem in ethischer hinsicht:die sich gefühlsmässig entwickelnde schillernde grenze zwischen mensch und maschine. ... und dass roboter auch gerechtigkeit im sinne von „2+2=in jedem fall 4“ behandeln. der roboter als korrigierender spiegel des verhaltens seiner besitzer... auch „besitzer“-status wird am ende problematisiert. vielleicht gehts weniger um die „maschine“als um einen langweiligen soz versagertypen,der durch den roboter eine erzählenswerte geschichte bekommt...
Was wäre, wenn die Europäer niemals nach Amerika gekommen wären? Was wäre, wenn die Deutschen den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten? Wie würde die Welt aussehen, wenn im Mittelalter die Pest in Europa stärker gewütet hätte? Was-wäre wenn Fragen werden oft in Romanen behandelt, die in einer alternativen Vergangenheit spielen. Bekanntestes Beispiel ist wohl Philip K. Dicks „Das Orakel vom Berge“.
In „Maschinen wie ich“ zeichnet Ian McEwan ebenfalls eine alternative Vergangenheit, eine in der Alan Turing sich keiner chemischen Kastration vollziehen lassen musste und der technologische Fortschritt früher initialisiert wurde. So ist es möglich, dass Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, die Welt bereits ein wenig aussieht wie unsere Gegenwart und teilweise wie unsere Zukunft. Die Menschen haben bereits alle technologischen Erfindungen, wie Mobiltelefone, Internet und Computer. Und Charlie, der Hauptprotagonist hat eben seinen „Adam“ geliefert bekommt, einen der ersten lebensechten Androiden.
„Maschinen wie ich“ ist unter meinen persönlichen Top5 des Jahre 2019. Die Geschichte ist hervorragend erzählt und jedes Detail stimmt. Die Charaktere sind fein gezeichnet und verleihen dem Roman die nötige Authentizität. Sie schaffen ein Gegengewicht zum Androiden Adam. Das Setting nicht in einer möglichen Zukunft spielen zu lassen, sondern in der Vergangenheit ist klug gewählt. Das gibt der Liebesgeschichte einen guten Rahmen. Ian McEwan beantwortet viele „Was wäre, wenn?“ Fragen und zeitgleich erlaubt er seinen Lesern, sich dem Thema der künstlichen Intelligenz auf eine literarische und philosophische Weise zu nähern, ohne ihn mit zu viel technischen Wissen zu erdrücken. Es erlaubt den geneigten Leser, einen Blick von außen, auf den modernen Menschen zu werfen. Wer sich dem Menschen der Gegenwart ohne SiFi-Elemente nähern will, dem empfehle ich von Joey Goebel „Irgendwann wird es wieder gut“.
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Innovative Idee, interessante Figurenkonstellation, aber etwas zu altbacken und selbstgefällig im Erzählton, um mit diesem Thema schritthalten zu können. Habe mir mehr erwartet.
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