1. No Limit
Jens Balzer
Beschreibung
Details
Gesprochen von
Sebastian DunkelbergSpieldauer
12 Stunden und 3 Minuten
Family Sharing
Ja
Abo-Fähigkeit
Ja
Erscheinungsdatum
15.06.2023
Hörtyp
Lesung
Es gibt keine Grenzen mehr: Das glaubt man jedenfalls am Beginn der Neunzigerjahre. Die Berliner Mauer fällt, die Welt rückt zusammen, und sie vernetzt sich. Die ersten Knoten des World Wide Web werden geknüpft, die ersten Suchmaschinen programmiert. In Berlin wird Techno zum Soundtrack der Wiedervereinigung, Neonfarben beherrschen das Bild, Piercings und Tätowierungen erobern den Mainstream, das Arschgeweih gerät zum stilistischen Symbol der Dekade. Aber unter der heiteren Oberfläche brechen alte Konflikte auf, Gespenster aus der Vergangenheit kehren zurück. Im Osten Deutschlands, aber nicht nur dort, entsteht eine rechte Jugendkultur bislang ungekannten Ausmaßes. Im zerfallenden Jugoslawien geschieht das Unfassbare: der erste Krieg in Europa seit 1945. Der politische Islam wird zur globalen Bedrohung, und das lange Jahrzehnt endet am 11. September 2001 mit dem Anschlag auf das World Trade Center, das auch ein Symbol der spielerischen, globalisierten Postmoderne gewesen ist.
In einem großen, farbigen Panorama erzählt Jens Balzer von einem Jahrzehnt, in dem man an die Zukunft glaubte und ans «anything goes» – und in dem doch auch ein neues Zeitalter der Grenzen, der Identitäten und der Kämpfe beginnt.
Inhalt u.a.:
«Nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich»: Die Euphorie der Befreiung und das plötzliche Rasen der Zeit «Temporäre Autonome Zonen»: Techno wird zum Soundtrack der Wiedervereinigung und des Urlaubs von der Geschichte • «Smells Like Teen Spirit»: Die größten Hits der Neunzigerjahre erzählen von den Freuden und Gefahren der Freiheit «Fremd im eigenen Land»: Hip-Hop als Spiegel der deutschen Einwanderungsgesellschaft, Angst vor «Political Correctness» und einer neuen Sprachpolizei • «Baywatch»: Gemachte Brüste, straffe Haut und «klassische» Nasen oder Körperliche Selbstoptimierung als neue Norm • «Emergency Room»: Die überlastete Notaufnahme wird zum Symbol der Privatisierung, das Privatfernsehen feiert die Freiheit der entfesselten Konkurrenz • «Hyper Hyper»: Die Gründer des World Wide Web träumen von der friedenstiftenden Kraft der universellen Vernetzung – und bereiten Amazon, eBay und Google den Weg • «Die Simpsons» und die Spice Girls: Die Heilige Familie der Postmoderne und die neoliberale Wende des Feminismus «Satanische Verse»: Die Fatwa gegen Salman Rushdie, der «Kampf der Kulturen» und die Rückkehr der Religion • «Tehno Tehno», Turbofolk: In Jugoslawien kommt es zum ersten Krieg in Europa nach 1945, Popkultur und nationalistischer Terror feiern blutige Hochzeit • «Jurassic Park»: Autos werden so groß wie Panzer, der Klimawandel gilt nun als Hirngespinst grüner Ideologen aus den Achtzigerjahren • «Faserland»: Dandys und Schnösel heischen um Aufmerksamkeit, viele Menschen schütten sich neuerdings Milch in den Kaffee und malen Muster in den Schaum • «Mein langer Lauf zu mir selbst»: Was der Brioni-Kanzler und der Minister mit der Pingpong-Diät über die Deutschen am Ende des Jahrtausends aussagen • «Bin ich da schon drin, oder was?» Das Internet wird zum Massenmedium, und der Film «Matrix» beschreibt, wie die Grenze zwischen dem Realen und dem Virtuellen verschwimmt
In einem großen, farbigen Panorama erzählt Jens Balzer von einem Jahrzehnt, in dem man an die Zukunft glaubte und ans «anything goes» – und in dem doch auch ein neues Zeitalter der Grenzen, der Identitäten und der Kämpfe beginnt.
Inhalt u.a.:
«Nach meiner Kenntnis ist das sofort, unverzüglich»: Die Euphorie der Befreiung und das plötzliche Rasen der Zeit «Temporäre Autonome Zonen»: Techno wird zum Soundtrack der Wiedervereinigung und des Urlaubs von der Geschichte • «Smells Like Teen Spirit»: Die größten Hits der Neunzigerjahre erzählen von den Freuden und Gefahren der Freiheit «Fremd im eigenen Land»: Hip-Hop als Spiegel der deutschen Einwanderungsgesellschaft, Angst vor «Political Correctness» und einer neuen Sprachpolizei • «Baywatch»: Gemachte Brüste, straffe Haut und «klassische» Nasen oder Körperliche Selbstoptimierung als neue Norm • «Emergency Room»: Die überlastete Notaufnahme wird zum Symbol der Privatisierung, das Privatfernsehen feiert die Freiheit der entfesselten Konkurrenz • «Hyper Hyper»: Die Gründer des World Wide Web träumen von der friedenstiftenden Kraft der universellen Vernetzung – und bereiten Amazon, eBay und Google den Weg • «Die Simpsons» und die Spice Girls: Die Heilige Familie der Postmoderne und die neoliberale Wende des Feminismus «Satanische Verse»: Die Fatwa gegen Salman Rushdie, der «Kampf der Kulturen» und die Rückkehr der Religion • «Tehno Tehno», Turbofolk: In Jugoslawien kommt es zum ersten Krieg in Europa nach 1945, Popkultur und nationalistischer Terror feiern blutige Hochzeit • «Jurassic Park»: Autos werden so groß wie Panzer, der Klimawandel gilt nun als Hirngespinst grüner Ideologen aus den Achtzigerjahren • «Faserland»: Dandys und Schnösel heischen um Aufmerksamkeit, viele Menschen schütten sich neuerdings Milch in den Kaffee und malen Muster in den Schaum • «Mein langer Lauf zu mir selbst»: Was der Brioni-Kanzler und der Minister mit der Pingpong-Diät über die Deutschen am Ende des Jahrtausends aussagen • «Bin ich da schon drin, oder was?» Das Internet wird zum Massenmedium, und der Film «Matrix» beschreibt, wie die Grenze zwischen dem Realen und dem Virtuellen verschwimmt
Unsere Kundinnen und Kunden meinen
Kennst du die Vibes der Neunziger?
Bewertung am 15.06.2023
Bewertungsnummer: 1961769
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Es hat etwas von Größenwahn, die Vielschichtigkeit, Gleichzeitigkeit und Energie eines Jahrzehnts mit Anspruch auf Vollständigkeit in 380 Seiten zusammenzuführen, doch Balzer gelingt es effortless zum dritten Mal. Nachdem er schon die Siebziger und die Achtziger ausgehend vom Popkulturellen nahebrachte, reinszeniert er nun die Atmosphäre der Neunziger. Er verblendet die wichtigsten politischen Ereignisse, technische Neuerungen, sich verändernde Bedürfnisse, Codes, Praktiken und popkulturelle Phänomene des Jahrzehnts. Insbesondere die Popkultur beschreibt Balzer hinreißend in einem an die Neunziger anklingenden Habitus, der die Begeisterungen und Überzeugungen des Jahrzehnts mit Abstand in leiser Ironie betrachtet und es vermeidet, sich zu identifizieren. Die technischen Neuerungen, etwa Privatfernsehen, MTV, Internet und immer mobilere Telefonie, arbeitet er findig heraus. Den politischen Diskursen und Ereignissen stehen die Komprimierung und Haltung hingegen nicht immer gut. Sie bekommen zu viel Raum für eine zeitgeschichtliche Rahmung und zu wenig für eine gelungene Einordnung. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, denn »No Limit« gelingt es zu gut, die Stimmungen und Widersprüche der Neunziger aufleben zu lassen und die Fäden ihrer Einflüsse bis heute zu spannen.
Fast waren mir die 380 Seiten zu kurz. Ich wollte noch länger mit
»No Limit« verweilen, fing an Leute darüber vollzuquatschen, mir zu wünschen, Balzer hätte mehr über Indiemusik geschrieben, was er beiläufig über Dinosaur Jr. schrieb, war interessant. Ebenso anregend war es, sich mit Balzer die Ambivalenzen des Jahrzehnts präsent zu machen, Aufbruchstimmung und Enttäuschung, Friedenshoffnung und Kriege, rassistische Gewalt, deren Rechtfertigung und Repräsentation von Anderen Deutschen|BIPoC, der Drang der Massen zu Distinktion und Individualität. Balzer fängt das Jahrzehnt ein, um dann wieder Abstand zu nehmen und die beschriebenen Phänomene aus heutiger Sicht zu bewerten. »No Limit« ist unterhaltsam und überlegt zugleich, es sitzt. Ich empfehle euch die Lektüre sehr, wenn ihr Lust auf Sachbücher, Popkultur und Zeitgeschichte habt.
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