Dave Asprey, Erfinder des Bulletproof-Kaffees und Autor des Bestsellers Die Bulletproof-Diät, arbeitete die vergangenen zehn Jahre mit weltweit angesehenen Ärzten an der Erforschung der Neuroplastizität des Gehirns. Hierbei ging es ihm vor allem darum herauszufinden, wie sich unsere geistige Leistungsfähigkeit, Energie und Widerstandskraft steigern lassen. Er fand heraus, dass einfache Veränderungen des Lebensstils, sogenannte „Hacks“, große Veränderungen der Hirnaktivität bewirken können. Als er diese Hacks bei sich selbst anwandte, erhöhte sich sein IQ um 20 Punkte und zugleich senkte sich sein biologisches Alter.
In seinem neuen Buch Hirntuning zeigt Asprey, was unser Gehirn benötigt, um den ganzen Tag in Bestform zu sein, sodass wir absolut klar denken und in geringer Zeit sehr viel mehr leisten können. Betroffen sind vier zentrale Bereiche des Alltags: Ernährung, Schlaf, Bewegung und die Beleuchtung sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause. Werden hier gezielte Optimierungen vorgenommen, werden das Wachstum von Neuronen angeregt und neue Mitochondrien gebildet. Informationen können dann schneller verarbeitet werden und dem Gehirn steht ein Vielfaches an Energie zur Verfügung.
Solche famosen Sätze zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Das Buch, so lese ich weiter, ist genau das Richtige für mich, wenn ich mein maximales Potential entfalten möchte. Und in zwei Wochen ermöglicht es mir doch glatt ein Hirn-Upgrade. Du liebe Güte, hoffentlich geht das nicht schief. Und am Ende habe ich eine nicht mehr funktionierende Version. Was ist eigentlich mein maximales Potential? Wenn ich hingegen mit meinen Alltagsleistungen zufrieden sein soll, könnte ich mir das (gelegentlich tatsächlich etwas qualvolle) Lesen ersparen und das Buch jemanden schenken, der es wirklich gebrauchen kann und nutzen wird. Steht so im Buch. Und zwar gleich ganz vorne. Schon wegen dieser Ansprache muss man es einfach lesen, schließlich will man nicht als selbstzufriedener Alltagstrottel durch sein Leben zuckeln.
Nun möchte ich keineswegs die Leidensgeschichte des Autors bezweifeln, aber sie passt wirklich ziemlich genau zu den Storys, die einem in amerikanischen Büchern immer aufgetischt werden. Dave Aspreys Gehirn hat nach seinen Angaben nicht richtig funktioniert. Das hat ihn jedoch nicht davon abgehalten, bereits am Ende seines dritten Lebensjahrzehnts zum Multimillionär zu werden. Ihm fiel es dann nach eigenen Angaben aber immer schwerer, sich konzentriert seinen zahlreichen Aufgaben in angemessener Zeit zu widmen, was ihn letztlich auf die Idee brachte, sein Gehirn mal so richtig scannen zu lassen. Dabei kam heraus, dass es nicht richtig versorgt wird, also an Energiemangel litt. Sofort begann Asprey mit einem "Biohacking". Das ist ein hinreichend schrecklicher Begriff, den ich lange Zeit beim Lesen nicht so recht verstehen konnte. Erst auf Seite 208 bekommt der inzwischen vielleicht schon leicht verwirrte Leser eine Definition vorgesetzt: "Biohacking ist die Kunst, seine Umgebung und sein Inneres so zu verändern, dass man die völlige Kontrolle über seinen Körper (und sein Gehirn) erlangt." Ist das dann das maximale Potential? Völlige Kontrolle über den eigenen Körper? Ob Dave Asprey das wirklich ernst meint, bleibt wohl sein Geheimnis.
Bevor man in die Geheimnisse des Gehirntunings eingeweiht wird, muss man allerdings eine Reifeprüfung ablegen. Und die besteht wohl darin, das Buch wirklich zu Ende zu lesen, was nicht ganz einfach ist, denn zwischenzeitlich wird der hoffnungsfrohe Leser mit vielfältigen Ausflügen in die Biochemie des menschlichen Körpers beschäftigt, was wohl nicht jedermanns Sache sein wird. Wir brauchen Treibstoff für unseren Denkapparat. Unter den zahlreichen Nahrungsangeboten befinden sich leider auch solche, die unser Gehirn hemmen. Unter ihnen findet man viele, die Entzündungen verursachen, was wiederum nicht nur das Gehirn bei seiner Arbeit behindern, sondern die Lebenszeit verkürzen kann. Darunter fallen die üblichen Verdächtigen wie Zuckerprodukte, Transfette, bestimmte Pflanzenöle und Futter, das in sehr heißem Fett zubereitet wurde. Die Liste ist lang und wird im Buch ausführlich erläutert.
Spätestens hier verschwindet aber auch die Magie dieses Buches, wenn es sie überhaupt beim Leser gegeben haben sollte. Denn in Wirklichkeit erzählt sein Autor nicht viel Neues. Es ist nur anders verpackt. Und obendrein besteht wohl auch ein bestimmtes Interesse, die Produkte seiner Firma zu vermarkten, denn ohne sie kommt man am Ende des Buches beim Gehirntuning nicht weiter. Dieser Tuning-Prozess besteht – um es kurz zu machen – aus einer Mischung von Nahrungsumstellung, weg von einer kohlenhydratreichen zu einer mit gesundem Fett angereicherten Ernährung, Yoga, Atemübungen, Meditation, Licht- und Kältetherapie, Erdung und Vibrationstraining und allerlei anderen durchaus nützlichen Vorschlägen, die man auch sonst in der entsprechenden Literatur findet, wenn auch vielleicht nicht in dieser konzentrierten Form. Die durchaus interessanten Einzelheiten findet man alle im letzten Kapitel. Kritisch wird es nach meiner Ansicht jedoch, wenn der Autor (typisch amerikanisch) den Einwurf von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln empfiehlt. Unser Körper ist das aus seiner Evolution nicht gewöhnt. Er kann damit in der Regel folglich schlecht umgehen, weil für ihn all diese Stoffe immer in einem bestimmten Verbund natürlicher Nahrungsmittel erschienen sind.
Das Buch ist auf der einen Seite sicher interessant für Leser, die unbedingt ihr Gehirn tunen oder wenigstens wissen wollen, was unser Gehirn mag und was nicht. Andererseits ist dieser Text schwer lesbar, weil sich sein Autor sehr oft lang und breit über Sachen auslässt, die man entweder kürzer fassen oder erst gar nicht erklären sollte, weil sie ein nicht naturwissenschaftlich gebildeter Leser sowieso nicht wirklich versteht. Die Tuning-Methode des Autors ist so eine Art Superfusion verschiedener Techniken, die auch einzeln einen erheblich leistungssteigernden Einfluss besitzen. Sie kann man auch nutzen ohne auf die Produkte Aspreys zurückgreifen zu müssen. Weil das so ist, kriegt dieses Buch einen Stern mehr als ich eigentlich geben wollte.
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kund*innenservice wenden.