Insiderbericht aus den Elite-Universitäten Cambridge und Oxford und Liebesbrief an ein eigensinniges Stück Europa: Nele Pollatschek analysiert klug, komisch und wütend eine turbulente Liebesbeziehung zu einer verwirrenden Insel.
Als Nele Pollatschek am 23. Juni 2016 nach Oxford unterwegs ist, wo sie jahrelang studiert hat, ahnt sie nicht, dass sie am nächsten Tag zum Brexit Profiteur wider Willen werden wird. Über Nacht löst sich wegen des Währungszerfalls ihr Studienschuldenberg fast in Luft auf – gleichzeitig aber durchlebt sie den Schock ihres Lebens: Die Briten wollen mit Europäern wie ihr nichts mehr zu tun haben.
Wenn jemand eine Obsession hat, dann ist es schwer, ihn davon abzubringen. In Nele Pollatscheks Fall heißt die Obsession seit ihrer Jugend Oxbridge. Nichts konnte sie abhalten, dort hinzukommen, wo ihre Helden, die mitunter exzentrischen englischen Geistesriesen, studierten. Irrsinnige Anstrengungen nimmt sie auf sich, um dorthin vorzudringen, erleidet das Hochstaplersyndrom, als es endlich gelingt, lernt das bizarre Verhalten der englischen Eliten kennen, kommt der Abwasserwirtschaft und dem Pillenkonsum der Briten auf die Schliche, verbringt die Nächte zwischen High-Society-Partys und Bibliothek. Gerade denkt sie, sie gehöre dazu – da erfolgt dieser Schlag.
Wie jede verstoßene Geliebte geht Nele Pollatschek in ihrem Abschiedsbrief an England der Frage nach, wie es zum Bruch kommen konnte. Was ist nur los mit diesem England? Und mit dem Scharfblick einer Miss Marple erkennt sie: der Schlüssel zur Misere liegt da, wo sie gerade war! Das System Oxbridge bringt jene Mentalität und jenen englischen Politikertyp hervor, der gerade das Land zugrunde richtet. Mit abgründigem Humor schreibt sie ein augenöffnendes Buch und setzt ihrer großen Liebe, dem alten England, ein hochunterhaltsames und kluges Denkmal.
Wo Oscar Wilde, J. R. R. Tolkin und Bill Clinton zur Uni gingen
Libertine Literatur am 16.08.2021
Bewertungsnummer: 1551203
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Oxbridge – ein Schachtelwort, bestehend aus den Namen der beiden ältesten und wohl auch bekanntesten Universitäten im Vereinigten Königreich: Oxford und Cambridge, die zu den Eliteschmieden des Landes gehören und von denen ›Dear Oxbridge‹ erzählt.
Namhafte Persönlichkeiten wie Oscar Wilde, J. R. R. Tolkin, Stephen Hawking, John Locke, Tony Blair, Bill Clinton oder Thomas Morus haben dort bereits ihre universitäre Ausbildung genossen. Auch aus Film und Fernsehen bekannte Persönlichkeiten wie Rowan Atkinson, Kate Beckinsale und Emma Watson waren dort. Selbst bekannte fiktive Personen wie Indiana Jones sind in Oxbridge gewesen oder haben dort ihren Arbeitsplatz.
»In Großbritannien gilt: Manchmal regieren die Konservativen und manchmal regiert Labour, aber fast immer regiert Oxbridge.«
Da überrascht es nicht, dass Oxbridge eine über die Jahrhunderte fortbestehende Faszination auf viele Menschen ausgeübt hat und noch immer ausübt: darunter auch Nele Pollatschek.
Ihr Weg nach Oxbridge, den sie in ›Dear Oxbridge‹ schildert, war zwar keineswegs gradlinig, frustrations- oder enttäuschungsfrei, aber sie hat es geschafft, dort zu studieren. Und das, obwohl sie nicht bereits auf eine der Eliteschulen Englands gegangen war, oder eine lange Familientradition vorweisen kann, die allesamt in den alten Hallen gelernt hatten. Mit viel Fleiß, Zähnezusammenbeißen und Tränen.
Dass sie so in dem Moment in England sein würde, als der Brexit offiziell verkündet wird, hatte sie zu Beginn ihres Studiums nicht vorausgesehen. Umso wichtiger ist ihre Erfahrung dieses Augenblicks, denn in Deutschland absolvierte sie ihren Bachelor, in England ihren Master.
»Wir schwiegen. Eine Mitbewohnerin stand auf und nahm mich in den Arm. Keiner musste es sagen, aber es lag so ein Gefühl im Raum: Wir fühlten uns mit Großbritannien zutiefst verbunden und gleichzeitig vollkommen fremd.«
In ›Dear Oxbridge‹ beschreibt Pollatschek ihren vergleichsweise unkonventionellen, doch erfolgreichen Weg nach Oxbridge. Erfrischend ehrlich, ohne die Höhen und Tiefen ihrer Erfahrungen auszusparen, blickt sie auf die Besonderheiten von Deutschland und England. Oft vergleichend, ohne damit die immer gleichen Klischees aufzuwärmen, sondern eher, um die vielen, wunderbar unterschiedlichen und ähnlichen Facetten ihrer beiden Studienländer zum Vorschein zu bringen.
So beschreibt Pollatschek in ›Dear Oxbridge‹ nicht nur die Kuriositäten ihres Alltags, der zu einer innigen Liebe für isolierte Thermofenster und einwandfrei funktionierende Rohrleitungen führte. Auch die Momente, in denen Pollatschek einen Blick auf die Geschehnisse erhaschen konnte, während sie Geschichte schrieben, teilt sie mit den Lesern.
»In Oxford habe ich einen Master in Englischer Literatur des 19. Jahrhunderts gemacht und über das Problem des Bösen im viktorianischen Realismus promoviert. Ich habe also sehr viel über englische Literatur gelernt. Aber noch mehr über englische Toiletten.«
Und dabei gelingt es Pollatschek in ›Dear Oxbridge‹, kein verklärendes Traktat für das eine und gegen das andere Land zu schreiben, sondern vielmehr die Menschlichkeit hinter und in den großen und kleinen Momenten sichtbar zu machen.
Mit ihren Beobachtungen, die voller Sinn fürs Detail, Humor und das Miteinander sind, kann Pollatschek in ihrem ›Liebesbrief an England‹ nicht nur eingefleischte Großbritannien-Fans unterhalten und begeistern: Für alle, die mehr von Großbritannien erfahren wollen, als durch die Brexit-Nachrichten derzeit zu hören ist.
Oxford und Cambridge. Welche Assoziationen verbindet man mit diesen Begriffen? Englische Eliteuniversitäten, Jobgarant für die Absolventen, traditionsreich, teuer. Traum vieler angehender Akademiker, speziell im geisteswissenschaftlichen Bereich. So auch für Nele Pollatschek, die besessen von dem Wunsch ist, dort zu studieren. Bis sich dies erfüllt, gilt es aber einige Hindernisse zu überwinden. Nicht zuletzt, muss sie die komplizierten Auswahlverfahren erfolgreich absolvieren. Das gelingt, allerdings erst im zweiten Anlauf, und so kann sie in die altehrwürdigen Hallen (und eine zugige Schuhschachtel-Kammer) einziehen.
In „Dear Oxbridge. Liebesbrief an England“ resümert sie ihre sechsjährige Studienzeit als Innenansicht eines akademischen Betriebs. Mit viel Wohlwollen und wenig Distanz beschreibt sie den studentischen Alltag, den immensen Druck durch kurzfristige Deadlines für die Abgabe der Hausarbeiten und ein System, das darauf ausgerichtet ist, die Fähigkeit des eigenständigen Denkens zu fördern und zu fordern. Nichts, was man nicht auch über das Studium an einer Traditionsuniversität hierzulande berichten könnte. Mit einer Ausnahme. Bei uns wurden/werden Studenten nicht mit Psychopharmaka abgefüttert, wenn sie eine Erkältung haben.
Das interessanteste Kapitel ist jenes über die „Rote Hosen Gang“. Stiff upper lip, die Abgehobenheit, Realitätsferne und der Empathiemangel derjenigen, die bereits in teuren Privatschulen auf den Studienabschluss in Oxbridge vorbereitet werden, ist zwar bekannt, aber dennoch nicht minder erschreckend. Zumal es ja hinreichend bekannt sein dürfte dass sie dort auf ihre späteren einflussreichen Positionen in Politik, Wirtschaft und Industrie gedrillt werden. Und hier stellt sich mir die Frage, was ein Oxbridge-Abschluss wirklich wert ist. Um dies zu beantworten, muss man sich nicht nur den jetzigen Premier sondern auch seine Vorgänger anschauen, um zu begreifen, welche Funktionen diese Universitäten haben.
Randbemerkung: Den abgründigen Humor habe ich vergeblich gesucht, und Augen öffnen können diese Essays nur dem Leser, der England und seine Historie nicht kennt. Die Ursachen des Brexit haben sie jedenfalls nicht erklärt.
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