Eine marode Villa, Geldsorgen, eine betagte Mutter, zwei Töchter mit unpassenden Freunden, eine schlecht bezahlte, langweilige Stelle beim Einwohnermeldeamt so sieht Ellens trister Alltag aus. Da sie geschieden und nicht mehr jung ist, erscheint ihr die Zukunft nicht gerade in rosigem Glanz. Nur ein Märchenprinz könnte sie retten, Ellen aber mag nicht an Wunder glauben. Da taucht ein gutaussehender Mann auf und behauptet, ihr Halbbruder zu sein. Dank einiger Gentests kommen erstaunliche Familiengeheimnisse ans Licht. Die Einladung zu einer Mittelmeer-Kreuzfahrt erscheint Ellen als Höhepunkt ihres Lebens. Doch nicht nur die Illusion einer letzten großen Liebe geht über Bord
Die Studentin Amalia lebt mit ihrer Mutter Ellen und Oma Hildegard in einfachen Verhältnissen in einem renovierungsbedürftigen Haus im Odenwald. Das Haus wird von den Nachbarn liebevoll "Nonnenkloster" genannt, denn in der Frauenwirtschaft haben Männer wenig Platz. Eines Tages steht Gerd, Architekt aus Frankfurt, vor der Tür und behauptet, der Halbbruder von Ellen zu sein. Das wirbelt das Familiengefüge ordentlich durcheinander und wirft einige Fragen auf. Dirk und seine Frau wollen eine Kreuzfahrt machen und da ihr Sohn samt Freundin abspringt, werden Amalia und Ellen eingeladen. Die Frauen nehmen dankend an, sie leihen sich die nötige Garderobe und die Kreuzfahrt kann beginnen. So erholsam und harmonisch wie gedacht verläuft die Reise aber nicht, die Interessen sind zu unterschiedlich und es kommt an Bord zu einigen Widrigkeiten des Lebens, die alles ordentlich durcheinander wirbeln und für Aufregung sorgen.
Von einem Tag auf den anderen sorgt ein neues Familienmitglied für eine große Verwirrung innerhalb der Familie, alles bisher Gekannte wird dadurch auf den Kopf gestellt. Für solche Handlungen hat Ingrid Noll den Blick und das Können, es zu einer Geschichte werden zu lassen. Sie zeichnet ein interessantes Bild einer Familie, bei dem das Auftauchen eines Halbbruders einige Geheimnisse aufdeckt, die bisher verborgen blieben. Solche neuen Konstellationen innerhalb der Familien sorgen für Spannungen und ziehen besondere Ereignisse und Folgen nach sich. Man darf gespannt sein auf einen interessanten Verlauf der Geschichte, bei dem eine Person Schaden nimmt und man sich fragt, wer für dieses Verbrechen verantwortlich ist.
Die Handlung schmückt Ingrid Noll gekonnt mit humorvollen und lebensechten Dialogen und mit überraschenden Wendungen aus, die die Geheimnisse der Großeltern aufdecken und damit für Spannung sorgen. Zwischen den vermeintlichen Halbgeschwistern entstehen Gefühle, die auch von der Ehefrau und den Gästen an Bord nicht unentdeckt bleiben. Wie wird diese Reise enden?
Ich bin immer wieder begeistert von Ingrid Nolls Einfällen, die sie in ihren Büchern umsetzt. Und es ist erneut ein Lesevergnügen, die Entwicklung der vielseigen Charaktere zu verfolgen und deren Gefühle wie Liebe, Eifersucht, Lebensgier und Neid zu beobachten und die daraus resultierenden Folgen zu erfahren.
Eine Story, bei der harmlose Personen plötzlich eine mörderische Energie entfalten, die man ihnen bisher nie zugetraut hätte. Eine unterhaltsame Reise mit Biss und überraschenden Wendungen, die man gespannt liest.
hallobuch, Silke Schröder aus Hannover am 11.05.2021
Bewertungsnummer: 786759
Bewertet: Hörbuch (CD)
Mit ihrem schwarzen Humor und viel böser Ironie ist Ingrid Noll eine der bekanntesten Krimi-Autorinnen Deutschlands geworden. In Über Bord geht es um die Hindernisse, die allzu oft den Dingen im Wege stehen, die wir eigentlich möchten. Da ist der Freund von Amalia, der die Frauenidylle in der Nonnen-Villa stört. Da sind all die Haustiere, die Ellen nicht um sich haben möchte und da ist Ortrud, die ihr den Weg zu ihrem vermeintlichen Traummann versperrt. Im wahren Leben wünscht man sich tragische Unfälle, im Roman gibt es ganz andere Möglichkeiten, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Zwar verliert sich Ingrid Noll in Über Bord manchmal ein wenig zu sehr in Traumschiff-Beschreibungen und hält mit ihrem eigentlichen Talent, dem Beschreiben von bösen Wünschen, ein wenig hinter dem Berg, aber natürlich gibt es auch hier einen wunderbar bitterbösen Plot, der über manche Länge hinwegtröstet. Über Bord wird perfekt von der Schauspielerin Uta Hallant gelesen, die allen Figuren viel Leben einhaucht und die Geschichte mit jeder Menge hintergründigem Witz vorträgt.
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