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Lukas Bärwald Buchhandlung: Thalia St. Pölten
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Meine letzte Rezension A Psalm for the Wild-Built von Becky Chambers
Ein Mönch und ein Roboter ziehen durch den Wald. Was wie der Beginn eines Witzes klingt, ist die Grundidee des neuen Romans von Becky Chambers. Als vor langer Zeit die Roboter ein eigenes Bewusstsein entwickelten, entschlossen sich die Menschen dazu, sie in die Freiheit und Selbstbestimmtheit zu entlassen und auf industrielle Produktion vollständig zu verzichten. Seitdem sind Jahrhunderte vergangen, in denen ein neues, grundlegend friedliches Gesellschaftssystem und ein bewussteres Leben mit und in der Natur entstand. Im Mittelpunkt der zweiteiligen Romanreihe steht die non-binäre Hauptfigur Dex. Ihres Zeichens Teemönch und für das psychische wie emotionale Gleichgewicht der Menschen in verschiedenen kleinen Ortschaften und tief im Wald verstreuten Dörfern zuständig. Dort hält sie mit einer Art umgebauten Wohnwagen an und öffnete ihre Pforten für all diejenigen, die seelischen Beistand, ein Paar einfühlsam-kritische Ohren und die für diesen Moment exakt passende Tasse Tee benötigen. Dabei ist sich Dex selbst nicht wirklich sicher, wohin der eigene Lebensweg führen soll und was den Sinn eines erfüllt geführten Lebens ausmachen kann. Doch dann tritt der Roboter Mosscap zwischen den Bäumen hervor und wird ein unvermuteter Wegbegleiter, der mit einer Mischung aus kindlicher Naivität, stoischer Ruhe und verblüffender Weisheit mit Fragen und Antworten aufwartet, mit der die Hauptfigur nicht gerechnet hätte. Seit dem Exodus aus den Fabriken ist dies das erste Aufeinandertreffen zwischen Mensch und Androiden, der von seiner Gemeinschaft mit der Aufgabe ausgeschickt wurde zu erkunden, was die Menschen mittlerweile eigentlich wollen – vom Leben, ihrer Umgebung, sich selbst. „Ein Psalm für die wild Schweifenden“ liest sich gemütlich und inspirierend, ganz reduziert auf seinen selten mehr als zweiköpfigen Cast und deren philosophische Diskussionen, die mit einer bemerkenswerten Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang daherkommen und einen tatsächlich auch nach dem Lesen der letzten Zeilen dazu inspirieren, sich selbst mit eben jenen Fragen auseinander zu setzen. Tee, tiefe Gespräche und hin und wieder ein Glühwürmchen zwischen den Tannen – was wünscht man sich eigentlich mehr?
ab 21,99 €
4/5
  • Lukas Bärwald
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4/5

A Psalm for the Wild-Built

Ein Mönch und ein Roboter ziehen durch den Wald. Was wie der Beginn eines Witzes klingt, ist die Grundidee des neuen Romans von Becky Chambers. Als vor langer Zeit die Roboter ein eigenes Bewusstsein entwickelten, entschlossen sich die Menschen dazu, sie in die Freiheit und Selbstbestimmtheit zu entlassen und auf industrielle Produktion vollständig zu verzichten. Seitdem sind Jahrhunderte vergangen, in denen ein neues, grundlegend friedliches Gesellschaftssystem und ein bewussteres Leben mit und in der Natur entstand. Im Mittelpunkt der zweiteiligen Romanreihe steht die non-binäre Hauptfigur Dex. Ihres Zeichens Teemönch und für das psychische wie emotionale Gleichgewicht der Menschen in verschiedenen kleinen Ortschaften und tief im Wald verstreuten Dörfern zuständig. Dort hält sie mit einer Art umgebauten Wohnwagen an und öffnete ihre Pforten für all diejenigen, die seelischen Beistand, ein Paar einfühlsam-kritische Ohren und die für diesen Moment exakt passende Tasse Tee benötigen. Dabei ist sich Dex selbst nicht wirklich sicher, wohin der eigene Lebensweg führen soll und was den Sinn eines erfüllt geführten Lebens ausmachen kann. Doch dann tritt der Roboter Mosscap zwischen den Bäumen hervor und wird ein unvermuteter Wegbegleiter, der mit einer Mischung aus kindlicher Naivität, stoischer Ruhe und verblüffender Weisheit mit Fragen und Antworten aufwartet, mit der die Hauptfigur nicht gerechnet hätte. Seit dem Exodus aus den Fabriken ist dies das erste Aufeinandertreffen zwischen Mensch und Androiden, der von seiner Gemeinschaft mit der Aufgabe ausgeschickt wurde zu erkunden, was die Menschen mittlerweile eigentlich wollen – vom Leben, ihrer Umgebung, sich selbst. „Ein Psalm für die wild Schweifenden“ liest sich gemütlich und inspirierend, ganz reduziert auf seinen selten mehr als zweiköpfigen Cast und deren philosophische Diskussionen, die mit einer bemerkenswerten Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang daherkommen und einen tatsächlich auch nach dem Lesen der letzten Zeilen dazu inspirieren, sich selbst mit eben jenen Fragen auseinander zu setzen. Tee, tiefe Gespräche und hin und wieder ein Glühwürmchen zwischen den Tannen – was wünscht man sich eigentlich mehr?

Meine Lieblingswerke

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    5/5

    Die Karte meiner Träume

    Darf ich vorstellen: Tecumseh (großer Indianerhäuptling) Sparrow (engl.: Spatz) Spivet, 12 Jahre, wohnhaft in Montana, hochintelligent, zeichnerisch genial veranlagt und seit dem Tod seines Bruders mitunter von Schuldgefühlen und Einsamkeit verfolgt. Um es gleich vorneweg zu nehmen, dieser – bislang noch einzige – Roman von Reif Larsen gehört zu diesen raren Wunderwerken, die man in die Hand nimmt, vor Staunen, Lachen und Rührung kaum mehr zu etwas anderem kommt und nach der letzte Seite am liebsten gleich wieder von vorne damit anfängt. Ob es seine Schwester beim Mais säubern ist, der Formationsflug eines Vogelschwarms oder die variierende Mimik seines Vaters: T.S. zeichnet und kartografiert wo er geht und steht und versucht so, der kleinen und großen Welt um ihn herum ein Gerüst zu geben. Dr. Clair, wie er seine Mutter nennt, ist selber als Forscherin seit Jahrzehnten auf der Suche nach einem eventuell überhaupt nicht existierenden Käfer. Und so kommt er dazu, bereits vor einsetzendem Teenie-Alter für wissenschaftliche Fachzeitschriften Diagramme und Karten anzufertigen und wodurch er eines Tages unverhofft vom renommierten Smithsonian Institut im fernen Washington ein einjähriges Forschungsstipendium erhält. Dies markiert den Beginn einer Geschichte, die Elemente von Road Movie, historischem, Familien-, Initiationsroman und Comic in sich vereint. Ende 2013 erscheint die Verfilmung, in der unter anderem Helena Bonham Carter die forschende Mutter von T.S. verkörpert; der zweite Roman von Reif Larsen wird ebenfalls Ende 2013 oder im Frühjahr 2014 erscheinen. Aber bis dahin: Zugreifen und das große Glück des Romans namens „Die Karte meiner Träume“ selbst erleben.

    • Lukas Bärwald
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    5/5

    Vor dem Fest

    Saša Stanišić spinnt farblich ständig changierendes Erzählgarn und webt daraus dem knapp an der Moderne vorbeigeschrammten Städtchen Fürstenfelde einen Teppich seiner eigenen Geschichte. So wie sich im Webstuhl der Schussfaden durch die Kettfäden schlängelt um mit der Zeit ein immer dichter werdendes Geflecht entstehen zu lassen, so durchstreifen die Figuren des Romans die Nacht vor dem großen Annenfest und verflechten sich dadurch immer wieder mit der Geschichte des Dorfes. „Anno 1772 vor dem Annenfeste hat sich ergeben ein schrecklicher casus tragicus.“ Und genau solch ein „casus tragicus“ ereignet sich knapp zweieinhalb Jahrhunderte später, denn im eigentlich doch so betulichen ostdeutschen Ort an der Grenze zu Polen wird auf Zigarettenautomaten geschossen, ins Allerheiligste des Heimatmuseums eingebrochen und nicht zuletzt werden die Glocken des Kirchturms gestohlen, noch bevor der Glöcknerlehrling zu seiner Abschlussprüfung antreten kann. Der zweite Roman des aus Bosnien-Herzegowina stammenden Autors brilliert mit einem Level von Erzählkunst und Einfallsreichtum, der ihn zu einem der herausragenden Leseereignisse des Frühjahrs 2014 macht: Wenn Stanišić von Kapitel zu Kapitel zwischen den Handlungsfäden der unterschiedlichen ProtagonistInnen hin und her wechselt, in verschiedene Jahrhunderte der Dorfgeschichte springt oder die Fürstenfelder Variante von Humpty Dumpty auftreten lässt, passt er Sprache, Rhythmik und Rechtschreibung entsprechend an und verleiht dem Text dadurch eine ungemeine stilistische Bandbreite und Dynamik. Neben dem ernormen erzählerischen Talent, dass einem in den Kapiteln unablässig begegnet, ist es die kunstvolle Komposition, mit der Stanišić uns den verschiedenen DorfbewohnerInnen an die Hand gibt und sie als Schussfäden durch ihre eigenen Schicksale vor der Oberfläche der Fürstenfelder Stadtgeschichte führen. „Vor dem Fest“ ist ein Teppich aus Menschen, Mythen und Mustern, die immer wieder ihren Weg an die Oberfläche finden und einen zu staunen bringen, ob der literarischen Kunstfertigkeit dieses Autors. „’Und jetzt?’, fragt Anna von oben. ‚Märchenstunde’, sagt Herr Schramm.“

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    5/5

    Rusty Brown

    Chris Ware hat es einmal wieder getan: Sieben Jahre nach dem phänomenalen Erzählkonzept „Building Stories“ beweist er erneut, warum jedes Mal, wenn ein neues Buch von ihm erscheint, der überwiegende Teil der Kategorien bei den großen Comic-Preisverleihungen mit seinem Namen versehen sind. Thematisch nimmt er übergangslos den roten Faden auf, der inhaltlich annähernd sein gesamtes Werk durchzieht: Berührend-tragische Lebensgeschichten von Menschen zu erzählen, die auf ihre individuelle Art und Weise an den Anforderungen scheitern, die Familie oder Gesellschaft an sie zu stellen scheinen. Als Ausgangspunkt dient ihm eine christliche Privatschule in Omaha. Dort überschneiden sich die Biografien der Lehrerin Joanne Cole und ihrer Schüler Jordan Lint und dem titelgebenden Rusty Brown. Rusty scheint ein Seelenverwandter von Jimmy Corrigan zu sein, dem Protagonisten aus dem gleichnamigen ersten Buch von Chris Ware. Als klassischer Außenseiter ist er in sich selbst und seinen Superhelden-Fantasiewelten verschlossen, bis ein neu hinzugekommener Mitschüler beginnt, an seinem Panzer zu kraten. Jordan ist nicht mehr allzu weit vom Schulabschluss entfernt, entstammt einer wohlhabenden Familie und hat den Traum, Rockstar zu werden. Sein arrogant und bisweilen rüpelhaftes Benehmen scheinen ihn nach außen hin zu Rustys Gegenstück zu machen, doch wird auch er über die Jahre von seinen eigenen Dämonen heimgesucht. Die afroamerikanische Lehrerin Joanne hat zu kämpfen mit rassistischen Anfeindungen von Seiten der Schüler wie auch Eltern und trägt mit der Zeit immer schwerer an der in die Brüche gegangenen Beziehung zu ihrer Schwester und der Vereinsamung ohne Partner an ihrer Seite. Die grafische Umsetzung dieser ineinander verflochtenen Geschichten erfolgt im für Chris Ware typischen Stil: Klare Farben, klare Linien, wenige Texturen und ein auf allen Ebenen sich reduzieren auf die wesentlichen Merkmale und Eigenschaften der Figuren und ihrer Umwelt. Dieser reduzierte, cartoonhafte Zeichenstil in seiner extremen Präzision erlaubt ihm, den Leser umso tiefer in die größtenteils ja zerrütteten Seelenlandschaften seiner Protagonisten hinein zu ziehen. Denn eine der vielen Meisterschaften Wares besteht darin, das Medium Comic tatsächlich auszunutzen und die Bilder den Großteil der Handlung und vor allem die Emotionen kommunizieren zu lassen; Text wird fast schon nur als allerletztes Mittel eingesetzt. Eine weitere Besonderheit ist das allgemeine Panellayout der Seiten. Den überwiegenden Teil des Buchs bestimmen Seiten, die aus zahllosen briefmarkenkleinen bis noch winzigeren Bildern bestehen. Dabei verliert man jedoch nie die Orientierung, da Ware sicher den Blick des Betrachters lenkt. Dieses Stilmittel wird auch zu dramaturgischen Zwecken genutzt, wenn ein Höhepunkt in der Handlung auftritt und Ware plötzlich nach dem vielen Klein-Klein der vorherigen Seiten nach dem Umblättern die Szenerie weit öffnet und eine ganze Doppelseite mit einem einzigen Bild füllt – der Effekt ist atemberaubend. Comic-Neulingen sei als Einstieg vielleicht eher „Jimmy Corrigan“ empfohlen, allen Anderen jedoch sei dieser erste von zwei Teilen mehr als nachhaltig ans Herz gelegt.

    • Lukas Bärwald
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    5/5

    Der Allesforscher

    Sixten Braun war aufstrebender IT-Jungmanager und wurde zum leidenschaftlichen Bademeister. Das scheint ein weiter Weg und eine sonderbare Wandlung zu sein, doch schien ihm das Leben deutliche Zeichen zu geben, dass es Zeit für einen grundlegenden Neuanfänge. Die Zeichen waren (auszugsweise): In Taiwan wird er an einer Straßenkreuzung von Walinnereien erschlagen, überlebt einen Flugzeugabsturz samt nachfolgendem Angriff eines streitlustigen Passagiers und erblickt aus dem Koma erwacht die Frau – und Gehirnchirurgin – seines Lebens. All dies bringt ihn dazu, sich von den Bindungen seines bisherigen Lebens zu lösen und im fernen Stuttgart eine Stelle als Bademeister anzunehmen. Das alles wäre als Handlung im Grunde schon genug, doch für Heinrich Steinfest und seinen Protagonisten ist dies nur der Auftakt für das eigentliche einschneidende Erlebnis: Knapp ein Jahrzehnt nach den Ereignissen in Asien erreicht ihn ein Anruf und kurze Zeit darauf tritt Simon in sein Leben. Simon, Sohn seiner tragisch verstorbenen Liebe aus Taiwan, dessen Geburtstermin zeitlich durchaus Sixten als Vater identifizieren könnte. Und so erhält sein Leben eine erneute, nachhaltige Wendung. An der Seite des Jungens, der ausschließlich in einer von ihm selbst entwickelten und keinem anderen Menschen verständlichen Sprache kommuniziert, entdeckt er neue Tiefen und – wortwörtliche – Höhen des Lebens kennen, wird vom Höhenängstler zum Bergsteiger und nähert sich endlich der Bewältigung des Todes seiner vor Jahren verstorbenen Schwester an. Heinrich Steinfests Roman ist nicht nur reich an erinnernswerten Handlungspunkten und einfallsreichen Sprachbildern, sondern brilliert durch seine gleichzeitig glaubwürdigen wie auch ironisch pointierten Dialogsequenzen. „Der Allesforscher“ ist ein erzählerischer Genuss, dem eine gesunde Balance aus kurzweilig-humroistischen und tiefgründig-emotionalen Momenten gelingt.

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