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- Bewertet: Taschenbuch
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Koeppens zweiter Roman zur Trilogie des Scheiterns "Das Treibhaus" ist ein politischer Roman, Bild jener Landschaft, die zwar ihre eigene Wahrheit habe, jedoch von der deutschen Geschichte, d.h. Restauration, Wiederbewaffnung und Boom, inspiriert ist. Anders als im Vorgängerbuch arbeitet Koeppen hier nur mit einem Protagonisten, Keetenheuve, Abgeordneter der Oppositionspartei,... Koeppens zweiter Roman zur Trilogie des Scheiterns "Das Treibhaus" ist ein politischer Roman, Bild jener Landschaft, die zwar ihre eigene Wahrheit habe, jedoch von der deutschen Geschichte, d.h. Restauration, Wiederbewaffnung und Boom, inspiriert ist. Anders als im Vorgängerbuch arbeitet Koeppen hier nur mit einem Protagonisten, Keetenheuve, Abgeordneter der Oppositionspartei, dessen Frau sich dem Alkohol hingebend verstarb, deren Vater einst Gauleiter war. Keetenheuve gerät als Liebhaber der literarischen Künste (Baudelaire...) in das "Treibhaus", dessen äquivoke Bildlichkeit nicht nur auf die Lage der Bundeshauptstadt anspielt sondern das Klima und die Wirkmechanismen von Treibhäusern, das künstliche und kontrollierte Kultivieren von (im weitesten Sinne) Lebensformen anspricht, aber auch wortwörtlich verstanden werden kann. Keetenheuve gerät in Situationen, in denen vor allem die negative Seite politischer Ambitionen aufgezeigt werden. Alte Funktionäre sind die neuen Funktionäre, es geht um die Bühne der Macht ("Es war nur Theater gewesen; man konnte sich abschminken.") und Instrumentalisierung, Täuschung und Verhandlung (Botschaftsangebot nach Guatemala), Identitätsverlust in der Position, Selbstverlustikeit ("Er kam sich vor wie ein Gespenst."), ein Hegelbild ruft: "Die großen Individuen in ihren partiellen Zwecken sind die Verwirklichung des Substantiellen, welches der Wille des Weltgeistes ist." Schließlich bleibt nur noch ein letzter verzweifelter Akt. Koeppen schreibt aus der Perspektive des Protagonisten (innerer Monolog), oftmals aus der reinen Gedankenwelt, die sich assoziativ in zahlreiche impliziten Anspielungen verliert, die dem Buch sein hohes Deutungspotenzial ermöglicht. Koeppen übertreibt m. E. leider seinen ästhetisch gemeinten Intellektualismus (Referenzen zur Antike, zur Literatur); Sätze wie "Frost-Forestier setzte die Musen ein, schaltete Musik herbei" sind albern, es gibt überhaupt keinen Grund für diese Wortwahl, sie wirkt dann nur noch pseudointellektuell! Die direkten oder indirekten "Landschaftsskizzen" der Bonner Politik erinnern fern an die "Ansichten eines Clowns" von Böll. Der Zynismus, der an manchen Stellen durchaus für Lacher sorgt, hat etwas Bernhardsches, ich denke hierbei insbesondere an den Protagonisten im Ohrensessel in "Holzfällen". Alles in allem macht der Roman trotz seiner tragischen Elemente viel Spaß, ist Spiegel und Zeitzeuge, der es nicht sein will, und ist in seiner Form ein großer Lesegenuss.
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