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" Mein Leben ist das Zögern vor der Geburt "
- Bewertet: Einband: Taschenbuch
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Kafka sagte einmal von sich " Mein Leben ist das Zögern vor der Geburt ". Einer Geburt in die Welt der kulturellen Selbstverständlichkeiten, der Vertrautheit und Gewohnheit. Sein ganzes Leben war von dem Versuch geprägt über jene Brücke, die er seinen Landvermesser K. gehen ließ selbst zu gehen. Doch Kafka zögert aus Angst vor d... Kafka sagte einmal von sich " Mein Leben ist das Zögern vor der Geburt ". Einer Geburt in die Welt der kulturellen Selbstverständlichkeiten, der Vertrautheit und Gewohnheit. Sein ganzes Leben war von dem Versuch geprägt über jene Brücke, die er seinen Landvermesser K. gehen ließ selbst zu gehen. Doch Kafka zögert aus Angst vor der Welt, er befürchtet während des gesellschaftlichen Umgangs in Strukturen zu verfallen aus denen er nicht mehr hinauskommen würde. In seinem Schlossroman überquert der Landvermesser nun stellvertretend diese Brücke und erblickt eine neue Welt voller geheimnisvoller Sinnstrukturen. Sein ursprüngliches Ziel als Landvermesser im Dorf zu arbeiten scheitert an bürokratischen Fehlern die schon lange zurückzuliegen scheinen. Nach und nach kristallisiert sich für K. die Gewissheit heraus, dass ein ominöses Schloss das Dorfleben beherrscht . Da K. von den Dorfbewohnern die Wahrheit des Schlosses nicht erfährt und man sich ihm gegenüber im Dorf so abwesend verhält, wendet er sich an die höchste Instanz um eine Wahrheit zu erfahren die seinen Aufenthalt legitimieren würde. Der Landvermesser möchte dazugehören und das Spiel der Gesellschaft unten im Dorf verstehen , doch der Weg in das Schloß offenbart sich als schier unmöglich . Anstatt zu arbeiten uns sich seinen Platz zu erobern, sucht er unnachgiebig eine explizite Wahrheit. Eine Suche die ihn vom eigentlichen Lebensprozess immer weiter entfernt. Mit diesem Bestreben lässt er auch die Dorfbewohner unruhig werden, die aufgeweckt durch den Eindringling das Geheimnis ihrer Lebenskraft offenbaren sollen. Das Schloss scheint eine ungeheure Macht auszustrahlen und dem Landvermesser gelingt es nicht zu erkennen, dass es sich von der Macht nähert die man ihm zuweist. Im Schloss findet man also nur die Wahrheit, die man selber in sie hineingelegt hat. Der Roman endet genau an der Stelle, an der dem Protagonisten eine endgültige Eingliederung in das ominöse Dorf bevorstünde. Eine Integration die der Autor Zeit seines Lebens nie wirklich verstanden hat umzusetzen. Möglicherweise stellte Kafka resignierend fest, dass sein befreiendes Schreiben von der Gesellschaft letztendlich doch wieder in jene Strukturen mündet und ließ den Roman unvollendet . Die anfängliche Distanz vom Dorfleben führte ihn Schritt für Schritt in jenes Reich, von welchem er doch eigentlich flüchten wollte. Sein Roman ließt sich am besten wenn man sich als Leser zwischen den Zeilen versteckt und von den endlos langen Dialogen hofft nicht überwältigt zu werden. Nach dem Lesen des Buches stellt sich dem ein oder anderen Leser vielleicht selber die Frage, ob er sich nicht ebenfalls auf der Suche nach einem geheimen Schloss befindet von dem er sich seine Wahrheit verspricht. Eine Wahrheit kann allerdings nicht gefunden werden, sie ist nicht geworden sondern nur durch den eigenen Lebensprozess nach und nach werdend .