«Meine Vergangenheit kann ich nicht ändern. Aber wenn ich davon erzähle, nehme ich ihr einen Teil des Schreckens. Ich kann von meinem täglichen Kampf mit der Essstörung erzählen. Ich kann erzählen, wie eine Vergewaltigung erst den Körper entzweireißt - und dann die Seele. Aber ich kann auch davon erzählen, wie ich mein in Stücke zerfetztes Leben langsam wieder zusammensetze. Und es am Ende sogar schaffe, mich über Momente des Glücks zu freuen.»
Eine starke Stimme, eine starke Sprache: In nüchterner Direktheit erzählt Anna Silvia die Geschichte einer durch Missbrauch zerstörten Kindheit und eines immerwährenden Kampfes gegen die Bulimie - ihre Geschichte. Eindringlich und mit einem fast schmerzhaften Blick für Details schreibt sie darüber, was ihr widerfahren ist, ohne auch nur eine Sekunde in eine Opferrolle abzugleiten. Das intensive Memoire einer jungen Frau, die mit aller Kraft versucht, nicht vor ihrer kaputten Vergangenheit zu kapitulieren.
Nach der Lektüre dieses Buches ist die Welt nicht mehr so, wie sie vorher war - denn man hat in Abgründe gesehen, die man niemals hätte sehen können, wenn diese mutige Frau nicht gewagt hätte, jeden einzelnen Alptraum ihres Lebens zu einem Gemälde der Apokalypse zusammenzufügen. Hier kann man lesen, was Resilienz wirklich bedeutet, welche Last Bulimie sein kann - und zu was für großartigen Ergebnissen gute Therapien führen können. Danke für diesen Blick in eine facettenreiche Seele
Empfehlung, aber mit Triggerwarnung
Bewertung aus dem Saarland am 13.12.2017
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Bei Anna Silvias Kreide fressen: Mein zerfetztes Leben handelt es sich um einen autobiografischen Roman, in dem die Autorin sich mit ihrer Essstörung, Bulimie, auseinandersetzt.
Dass dieses Buch alles andere als leichte Kost ist, dürfte ebenso klar sein wie meine Anmerkung, dass sich Betroffene gut überlegen sollten, ob sie stabil genug für Silvias Geschichte sind. Ihre Erlebnisse haben selbst mich getriggert, obwohl ich von keinem ihrer Erlebnisse selbst betroffen bin.
Wie so viele psychische Erkrankungen beginnt auch Silvias Leidensweg mit dem regelmäßigen Missbrauch im Kindesalter und als wäre das nicht schon schlimm genug, handelt es sich bei den Tätern auch noch um Freunde der Familie, die genau wissen, an welchen Fäden sie ziehen müssen, um das Mädchen vom Schweigen zu überzeugen. Unter diesen Umständen ist der Weg in die Bulimie und die Prostitution weder weit noch überraschend.
Die Autorin beschreibt die Erlebnisse bis ins kleinste Detail, ist schonungslos ehrlich und untermalt den grausamen Inhalt mit teils nahezu poetischen Vergleichen. Gepaart mit der persönlichen Erzählperspektive gehen ihre Worte unter die Haut, stechen ins Herz und verpassen dem Leser stetig Schläge in die Magengrube.
Neben dem Schmerz und dem Mitgefühl hat sich allerdings auch ohnmächtige Wut in mir ausgebreitet, da Silvia es einfach nicht schafft(e), aus dem Teufelskreis von Prostitution und Bulimie auszubrechen. Das Buch ist nicht sonderlich dick und ich wollte es dennoch zweimal abbrechen, da ich nicht damit rechnete, dass die Geschichte positiv endet.
[Achtung, ab hier Spoiler, wie Annas Story ausgeht!!!]
Doch zum Glück irrte ich mich da. Nach rund 20 Jahren zwischen Kotzen und bezahltem Sex schaffte es Silvia schließlich, sich in einer Klinik Hilfe zu suchen und gegen die Bulimie in den Kampf zu ziehen. Falls du das liest, liebe Autorin du kannst so stolz auf dich sein!
Die letzten 40 Seiten geben Einblicke in den Ablauf der Therapie. Besonders interessant fand ich, dass sehr viel schriftlich gearbeitet wurde und Silvia verschiedene Listen und Briefe schrieb, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Davon hätte ich gerne mehr gelesen.
Empfehlenswert ist das Buch für psychisch gesunde Interessierte und Betroffene, die stabil sind oder zumindest schnell auf therapeutische Unterstützung zurückgreifen können. Zwar hat Kreide fressen einen echt hohen Triggerfaktor, aber auf den letzten 40 Seiten bieten sich für Betroffene durchaus hilfreiche Impulse.
Fazit:
Eine Biografie, die sehr berührt, aber dadurch vor allem von psychisch erkrankten Lesern mit äußerster Vorsicht zu genießen ist.
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